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Montag, 27. August 2012

Wird das eigentlich noch jemals fertig?

In meinem Profil steht, dass ich klöppeln kann. Bisher musstet ihr das einfach so glauben. Es wird Zeit, dass ich einige Beweisfotos zeige. Nun, jeder weiss, dass auch die gerne gefälscht werden, aber die Klöppelteile in diesem Post habe ich Schlag für Schlag selbst gefertigt. Allerdings sind die beiden Meterspitzen noch weit davon entfernt, ihre Ziellänge zu erreichen (Kontinente driften schneller). Die weisse Spitze unten ist aus einem Buch von Katharina Egger. Ich habe den Brief vergrößert und klöpple die Spitze mit dickerem Garn. Wenn sie jemals fertig werden sollte (vielleicht kurz nachdem Afrika das Mittelmeer geschlossen und die Alpen zu Himalayahöhen getürmt hat), wird sie eine Mitteldecke aus etwas gröberem Leinen zieren.



Die Spitze läuft sehr gut und ist auch ganz einfach zu klöppeln.
Aus Claire Burckhards Buch "Spitzen für zehn Paare" stammt die grüne Spitze. Eigentlich sollen die vier Formschläge eine Blüte darstellen, aber mich hat die Anordnung schon auf den ersten Blick an eine Libelle erinnert. Deshalb klöpple ich grün changierende Glasperlen als Augen ein.




Die Glasperlenaugen sieht man natürlich besser, wenn die Spitze abgenadelt ist. Auch diesen Brief habe ich ziemlich stark vergrößert. Leider ist mir mit der Libellenspitze ein übles Missgeschick passiert. Das grüne Verlaufsgarn ist handgefärbt, und ich kann es nicht mehr in denselben Farbtönen nachkaufen. Aber ich hatte ursprünglich eine völlig ausreichende Menge davon, auch von dem gelben Garn am Rand, nur habe ich die Schachtel in meiner Jäger- und Sammlerhöhle so sicher verräumt, dass ich sie nicht mehr finde. Deshalb ist bei dieser Spitze jetzt Zwangspause. Dabei gefällt sie mir so gut. Trotz der etwas aufwändigeren Details klöppelt sie sich auch leicht und schnell. Was bei mir eben so "schnell" heißt. Ich bin nämlich ein ausgesprochener Tai-Chi-Klöppler: Jede Bewegung langsam und mit Bedacht. Bei meinen Kampfklöpplerinnen fliegen die Klöppel nur so hin und her, bei mir schleichen sie langsam über den Brief. Darum wird bei den Damen auch immer wieder etwas fertig, was man bewundern kann (kilometerlange Schals und Meterspitzen, kubikmeterweise Spitzendecken), und bei mir nichts (niente, nada, nüschte).
Dafür habe ich nettes Equipment zum Angeben, so wie diese Aufstecknadeln mit Glasköpfen.



Und das sind meine Lieblingsklöppel. Wie gesagt, ruhen sie leider zur Zeit, weil ich dieses *****garn nicht mehr finden kann.



Hier noch ein besonderes Kunstwerk; denn jeder Betrachter sieht etwas anderes darin. Als es fertig war, kamen folgende Kommentare: Ein hübscher Fisch (hrmpf) - Ach, eine Tulpe (grrr) - Warum klöppelst du denn eine grüne Mohnblüte? (aargh) - Das stimmt alles nicht! Das ist ein Käfer! Die Flügeldecken des Originals sind rot, der Kopf und die blattförmigen Fühler schwarz. Aber das hätte ja jeder gekonnt. Ich war eben kreativ und wollte lieber Hellgrün. Damit ihr's nur wisst!


Und Sockenpaar Nr. 9 ist jetzt auch fertig geworden. Damit es nicht ganz so langweilig ist, habe ich den Rist im Großen Perlmuster gestrickt.



Das Stricken ist wenigstens sicheres Terrain. Da wird ab und zu was fertig, was Erkennbares und kein Mohntulpenfischkäfer.

Übrigens bin ich diese Woche wieder beim Segeln auf dem Ammersee. Und ich habe mir gleich heute, am ersten Tag, einen solchen Sonnenbrand geholt, dass ich mich ab morgen beim Segeln als Tuareg verkleiden muss.

miscellanea

Freitag, 24. August 2012

Unterm Birnbaum ...

... habe ich am letzten Wochenende gelegen, aber nicht in der Mark Brandenburg, sondern im Frankenwald. Dort habe ich mich mit alten Freunden ein paar Tage lang getroffen in einem hübschen Ferienhaus in einem zauberhaften Obstgarten zum Ratschen und Croquetspielen und natürlich zum Schafkopfen. Der Sommer, dem ich schon glaubte nachwinken zu müssen, ist nochmals zurückgekehrt und mit Sonne, Hitze und wüstenwarmem Wind zu wahrhaft olympischer Form aufgelaufen.



Dieser Obstgarten ist ganz sicher ein versprengtes Stück vom Garten Eden. Eine solche Fülle von Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Beeren, Quitten und Mirabellen - eigentlich Kriecherl - habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. 










Nach den Croquetpartien bin ich im Garten herumgewandert, habe von den Zwetschgen gefuttert (aber keine Eselsohren und keine  lange Nase bekommen -  ach so, das waren ja Feigen) und habe im trockenen, duftenden Gras im Schatten des Mostbirnbaums gelegen, gelesen und ein bisschen geschlafen (eher wenig gelesen und dafür ein bisschen mehr geschlafen). 






An den Garten grenzt ein Wildgehege, in dem Damwild weidet.



Es wurde lecker gekocht, wir haben gemeinsam im Freien gesessen und gegessen, neben dem Kirschbaum, der im Gegensatz zu uns unter der Hitze gelitten hat. Ihm und seinen Gefährten wünsche ich einige schöne und ausgiebige, nächtliche Regenfälle. Unsere Nächte dort waren so warm und sternenklar, dass wir bis in die frühen Morgenstunden draußen reden und Karten spielen konnten. Und bevor wir ins Bett gingen, haben wir von der Wiese aus noch die Milchstraße bewundert und - schon im Halbschlaf - noch immer Sternschnuppen gezählt. Es war, als wäre ich in die endlosen Sommer meiner Kindheit zurückgekehrt. Aber man ist erwachsen und weiß, dass schöne Tage auch zu Ende gehen. Mir ist dazu - eigentlich jahreszeitlich noch gar nicht passend - immer Rilkes Gedicht "Herbsttag" in den Sinn gekommen: "Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg Deinen Schatten auf die Sonnenuhren und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten reif zu sein, gib ihnen noch zwei südlichere Tage ...". Nun gut, vielleicht hat mir aber auch nur die schwellende Überfülle an Früchten die Sinne verwirrt.
Jedenfalls war es wieder wunderschön, selbst wenn mein Croquetschläger die Kugel meist nicht dorthin getrieben hat, wohin ich wollte, und auch die Tore immer aus dem Weg hüpften, wenn sie meine Kugel kommen sahen. Aber bis nächstes Jahr werde ich heimlich üben und dann ...



Am letzten Tag sind wir noch im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim eingefallen - erst sehe ich lauter heilige Berge, jetzt Freilandmuseen noch und nöcher -  bei herrlichstem Wetter. Ich war schon mehrmals in diesem Museumsdorf, und mit jedem Mal gefällt es mir besser. 



Ein Teil des Geländes wird mit historischen Methoden bewirtschaftet, es gibt Kühe, Ziegen, Pferde und Schweine auf dem Museumsbauernhof, Federvieh und Schafe auch andernorts auf dem Gelände.






Was ein richtiger Mistkratzer sein will, macht sich auch mal die reinrassigen Krallen und den Schnabel schmutzig (wenn's dafür fette Würmer gibt). Dem stolzen Gehabe tut das keinen Abbruch.



Die ganze Anlage ist unglaublich malerisch, mit stillen und einsamen Winkeln ...



... stattlichen Häusern und weniger stattlichen ...









... heimeligen Stuben und Gärten, die eine trügerische Sehnsucht nach einer nie dagewesenen guten alten Zeit wecken.





Es gibt überall nette und interessante Details zu entdecken, wie diesen Schaukelschwan ...


... oder diese Tischdecke, deren Stickerei so akribisch eine Klöppelspitze nachahmt, dass man einen Klöppelbrief danach stechen könnte:



Und in der Schule waren wir auch, wo die Kinder ganz praxisbezogen auf das ländliche Leben vorbereitet wurden. Eine Einmaleinstafel und ein Sonntagsschulzeugnis:




"Geistesgaben: Viele" und "Fleiß: Sehr groß" steht da (es kann sich also nicht um dein Zeugnis handeln, so viel ist klar)
Und so sieht eine Kuh unter dem Schw*nz aus, ein doch recht ungeniertes Modell, aber S*xualkunde war tabu. Verstehe einer das!



Ein aufschlussreicher Schulbesuch war das. Umfassend landwirtschaftlich weitergebildet und nachhaltig überzeugt, dass auch die moderne Zeit einiges zu bieten hat, haben wir den Rundgang mit einer Brotzeit im Museumswirtshaus zu Ende gehen lassen.
Am Abend sind Wolken aufgekommen, und es zogen Gewitter auf. Die ungetrübten Tage hatten auch wettertechnisch ein Ende. Aber wir haben schon wieder reserviert, nächstes Jahr in unserem Zaubergarten.
Hoffentlich finden wir ihn wieder. Nicht, dass er sich wie weiland Avalon in den Nebeln verbirgt und verliert.

miscellanea

Dienstag, 21. August 2012

Touristenflachrennen


Sonntag vor acht Tagen sind wir ausgeflogen, Richtung Garmisch. Man beachte: Garmisch, an einem Sonntag, im Ferienmonat August. Ich weiss ja, dass ich manchmal nicht ganz dicht bin, aber dass mir das einmal passieren könnte ... Zuerst habe ich meine Gemsen am Fuß der Höllbachklamm abgesetzt, damit sie sich langsam und natürlich zu Fuß in lichtere Gefilde hocharbeiten konnten. Aber ich wollte höher hinaus. Ich habe mir - touristisch gesehen - die Kante gegeben und mich an der Eibseeseilbahn angestellt, mal eine schlappe Stunde, um mich dann, um 49,50 Euronen erleichtert, in eine doch etwas schmuddelige Gondel gepfercht, mit gefühlten 200 anderen Wahnsinnigen, eingeklemmt unter der Achselhöhle eines Silberrückengorillas - er roch auch so - bergan zum Gipfel der Zugspitze tragen zu lassen.





Die Bergwand ist schlicht atemberaubend, aber auch eine Gondel gedrängt voller Menschen, von denen ein paar jüngere männliche Exemplare um halb zwölf schon ordentlich getankt haben und die bei jedem Masten in ein bierseliges "Aahhhh" ausbrechen, kann das Atmen sehr erschweren. Als ich dann oben aus der Gondel geschoben wurde, waren da schon Hunderte anderer Leute - es ging zu wie am Stachus zur Hauptverkehrszeit (Na, jeder kriegt, was er verdient. Wo man nur zu Fuß hingehen kann, geht es nie so zu).





Die Leute haben sich sogar angestellt, um einmal neben dem Gipfelkreuz stehen zu können. Ich finde es auch gut, dass der höchste Gipfel den Leuten vorbehalten ist, die wirklich zu Fuß und mit der richtigen Ausrüstung auf diesen Berg gestiegen sind; eigentlich, denn es gibt tatsächlich Leute, die mit Shorts und Turnschuhen die Gipfelterrasse verlassen, um die nur scheinbar ungefährlichen letzten Meter des Klettersteigs zum Gipfel zu bewältigen. Wahrlich der Gipfel der Unvernunft!



Da kann der Zugspitzgeist nur noch sein nebelumwabertes Haupt mit Grausen abwenden.



Weil ich noch keinen Happen gegessen hatte, habe ich mir eine Bratwurstsemmel gegönnt. Die war zwar nicht aus Gold, hätte es dem Preis nach aber sein können. Außerdem musste ich sie mit den Dohlen teilen. Aber die haben dort oben Hausrecht, also war ich es ihnen schuldig. Die sind so putzig. Die nehmen die Happen sogar aus der Hand.
Der Tag war strahlend schön, nur ab und zu trieben ein paar Wolken trocken wie Rauch vorbei, und die Aussicht ist herrlich und entschädigt für alles.




Man steht tatsächlich in den Wolken! 
Ich war jetzt zum zweiten Mal da oben. Das erste Mal - das muss kurz nach der Erstbesteigung gewesen sein, so lange ist das schon her - waren wir ziemlich allein. Da konnte die Majestät dieser Berge viel besser wirken.
Mit der Gletscherbahn ging es weiter vom Gipfel zum Zugspitzplatt. Dort, mitten im felsigen und lebensfeindlichen Nirgendwo neben dem Rest des Gletschers, der ein bisschen aussieht wie schmutziges Styropor, gibt es ein Restaurant und ein Café. Die stehen dort wie gelandete Ufos, und als ich ankam, gab es gerade einen "Wiesn-Countdown" mit Blasmusik, im Café saßen einige ältere Damen und Familien mit Kindern. Begleitet von einem Pulk schnatternder Kinder und einer russischen Reisegruppe habe ich mich in die Kapelle geflüchtet, die für die Opfer des Lawinenunglücks von 1965 errichtet worden ist. Das war aber auch kein ungetrübtes Vergnügen, weil die Kinder Verstecken spielen mussten und die Erwachsenen ungeniert plauderten. Also zurück zur Station und zur Zugspitzbahn. Ich kann es nicht beschwören, aber bevor ich die Station betreten habe, konnte ich aus dem Augenwinkel sehen, wie ein Mann im Bademantel und mit einem Handtuch unter dem Arm die Bistr-O-Math betrat, aber das ist ein Problem anderer Leute. 
Dem Gipfel entkommen, habe ich mir das Gegenprogramm zum Trubel gegönnt und den Rest des Tages im Freilichtmuseum Glentleiten verbracht. Ich bin zu Fuss, ganz ohne überfüllte Gondel und Menschenmassen, umhergewandert, bin eingetaucht in die Lebenswelt früherer Tage. Es gibt auch neben den wiederaufgebauten alten Bauernhäusern überall etwas zu entdecken. Dieses Bildstöckl zum Beispiel ruft zum Gebet für die im Fegefeuer büßenden Seelen auf. Damit man immer weiss, wie viele Ave Maria und Vaterunser man schon gesprochen hat, gibt es eine Reihe von Perlen als Gebetszähler. Und auch die armen Büßer im Purgatorium schauen angemessen betrübt und zählen fleissig mit.



Einige der alten Bauernstuben sind wunderbar ausgemalt. Diese Malereien stammen aus dem 17. Jahrhundert. Da war sogar ein hübscher Drache mit Heiligem Georg, der aber einfach nicht scharf auf ein Bild gebannt werden mochte.




Seit meinem letzten Besuch ist diese Sägewerkshalle aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts neu dazu gekommen, als Beispiel früher Industriearchitektur auf dem Lande:



Sie hat ein elegantes, freitragendes Gewölbe aus verschraubten Brettern, ganz modern.



Aber außen musste es dann doch wieder ein bisschen Oberbayern sein:



Zäune, die meisten sind einfach, aber wirkungsvoll und dabei schmückend und individuell. Es müsste ja bei einem heutigen Garten nicht unbedingt so ein martialisch zugespitztes Exemplar wie dieses sein, aber die Konstruktion mit den geflochtenen Ruten ist genial.



Die Häuser sehen von außen alle sehr malerisch und idyllisch aus.



Aber innen überraschte auch dieses Haus, wie viele andere, mit den Härten, die das Leben früher auch prägten. Wie Frauen in düsteren, verrauchten Küchen auf offenem Feuer und mit schwerem Gerät hantierend ihre oft sehr großen Familien und das Gesinde bekochten, ringt mir noch heute Bewunderung ab (und du bist oft schon zu faul, den Schalter am E-Herd umzudrehen). 



Vor jedem Haus steht eine Hausbank, schmerzlich vermisst bei heutigen Häusern, wenigstens von mir. 



Auf mindestens einem halben Dutzend von ihnen gab es ein Päuschen. Mal in der Sonne, mal im Schatten. Auf der letzten habe ich sogar ein bisschen gestrickt und mir vorgestellt, wie es wäre, in so einem Bauernhof zu leben, vielleicht mit dem Ausblick ins Blaue Land:



Schafe kommen ins Bild:



Hier sind alle vereint: Der Ausblick, die Wollproduzenten und das Endprodukt:



Ein schwebend leichter, ganz zeitloser Augenblick.
Ich bin dann zurück nach Garmisch gefahren, um meine müden Bergsteiger einzusammeln. Nach Hause kamen wir nur durch den obligaten Augustferiensonntagabendstau - allein von Garmisch zur Autobahn eine Stunde. Schön war es trotzdem. 
Aber um die Zugspitze werde ich zukünftig einen Bogen machen. Ich will ja nicht von Aliens entführt werden und sei es zum Restaurant am Ende des Universums.

miscellanea
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