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Dienstag, 4. Juni 2013

Superbia - Oder der Hochmut (Seife Nr. 65)

Er hat mich gequält, der Hochmut, aber ich habe ihn zu Fall gebracht. Ganze vier Mal, und jetzt ist er handzahm. Horrido! Aber ich sage euch, das ist eine lange Geschichte, bei der nicht nur der" Hochmut" in Seifenform entstanden ist, sondern gleich auch noch die "Demut" und die "Läuterung". Macht euch auf einen laaaaaaangen Post gefasst (Tee, Kaffee, Chips oder wahlweise ein Schnäpschen holen oder auch alles zusammen).
Also angefangen hat es schon damit, dass mein noch mit Dampf betriebenes Hirn endlos lange gebraucht hat, bis es eine Idee für die Todsünde "Hochmut" ausgespuckt hat. Man kann sich natürlich fragen, warum jemand überhaupt eine Seife zu diesem Thema sieden will (oder warum jemand überhaupt Seifen siedet), aber wahrscheinlich hat mich eben der Hochmut gekitzelt oder besser der Übermut geritten, als ich mich für den Seifenschieber "Die sieben Todsünden" im Seifenforum angemeldet habe. Seht selbst:

Superbia – Der Hochmut, die Hoffart, die Eitelkeit, der Stolz

Attribute: Die Farbe Rot, der Pfau, die Rose
Eine Todsünde mit vielen Facetten, z.B. Geltungssucht.
Was braucht diese Art von Hochmut, um als solcher richtig zutage zu treten? Er braucht Entourage. Er braucht Nachahmer, die so sein wollen wie er, sein Niveau aber natürlich aus seiner Sicht nie erreichen. Er braucht dienstbare Geister, die sich um eine gebührend saubere und angemessene Umgebung kümmern, und jemanden, der sich um das leibliche Wohlergehen sorgt, sowieso. Ist der Hochmut einsam? Eigentlich immer. Trotzdem wird es Bewunderer geben, Anbeter, Liebende, Getreue. All das steht dem Hochmut zu. Einzig, weil er da ist oder aufgrund von tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Leistungen oder Rechten. Selbst darf er dabei ruhig etwas flach und ohne Tiefgang bleiben, muss er aber natürlich nicht. Denn es gibt auch Hochmut, hinter dem Können, Charisma und Intelligenz stecken. Aber wir sprechen hier von Seifen, Stellvertretern und ganz gewiss ohne Charisma und Intelligenz. 
Deshalb sollte es eine prächtige Seife werden, etwas erhöht auf einem Sockel ruhend, aber in der gleichen Schachtel, d.i. Welt, wie vier kleine Vasallenseifen. Alle Seifen bestehen aus dem gleichen Leim, keine billige Seife, aber auch nicht die absolute Luxusseife.

250g Rapsöl
290g Mandelöl
150g Sheabutter
10g Bienenwachs (weiß)
310g Kokosfett
Geplante Überfettung: 8%
Farben von Behawe
Duft: Herbs Ex, Wild Violet, Rose und English Rose

Der Hochmut:
Rot, mit Rosenduft und Goldglanz, bekleidet eine Stellung in der Welt, hält sich für bedeutender als seine Entourage, auf die er herabschaut, obwohl bis auf Farbe und Duft – Äußerlichkeiten – kein Unterschied zwischen ihnen besteht und obwohl die anderen Seifen für seine Existenz unabdingbar sind.

Die Vasallen:
Der Nachahmer: Rot, mit Rosenduft und weniger Gold, stellt die Vergangenheit des Hochmuts, seine Anfänge dar, lernt vom Hochmut, wird ihn eines Tages zu Fall bringen, um seinen Platz einzunehmen.
Das aufrichtig bewundernde Herz: Violett, mit Veilchenduft, lebt nach dem Motto: "Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein." Ist der Überzeugung, weniger wert zu sein, als der Hochmut, arbeitet ihm zu, stützt seine Stellung.
Der Anbeter: Blau, mit Goldputz, duftet nach Herbs Ex (ist eben ein Kerl). Der Hochmut stärkt die Stellung des Anbeters und umgekehrt. Sie sind für einander eine begehrte Trophäe, stützen sich gegenseitig.
Der dienstbare Geist: Putzseife, besteht aus denselben guten Zutaten, mit Resten von Duft und Farbe, stellt vielleicht die Zukunft des Hochmuts dar, nach seinem Fall.

Die Welt:
Alle leben, leiden und streben in derselben Welt, symbolisiert durch Schachteln mit großen oder berühmten Städten als Deckelmotiv. Die eingebildete, eingeforderte und durch seine Umgebung zugestandene Heraushebung des Hochmuts ist durch ein kleines goldfarbiges Podestchen in der Schachtel kenntlich gemacht.

Soweit das Konzept. Und nun ...

Desaster Nr. 1: Ich bin also Mitte Dezember frisch ans Werk gegangen (kaum drei Monate später, als geplant), gerade noch rechtzeitig vor dem Umzug. Das PÖ Rose hat so gar nicht gezickt und alles ging sooo glatt. Warum hat mich das nicht stutzig gemacht? Egal, "Hochmut" weggepackt und umgezogen. Nachdem ich die Seifen im 423. Karton - und erstaunlicherweise nicht zerdrückt - wiedergefunden hatte, kam die böse Überraschung.
Klebrige, miefige, stinkige, braune Ranz! Zu allem Überfluss hatte ich mit dem übrigen Seifenleim auch noch ein paar zusätzliche Förmchen befüllt.



Auch diese Damen hatten einen gewissen Hautgoût:



Aber mir sind in der Zeit des Umzugs sogar die Putzseifen ranzig geworden. Örgs. Dabei spüle ich meine Formen doch vor Gebrauch noch mit destilliertem Wasser nach.


Doch kein Schaden ohne Nutzen. Ich brauchte sowieso Putzseife aus denselben Fetten, aus denen der "Hochmut" besteht, für den "dienstbaren Geist". Also ab damit in den Schredder.


Und mit Wilhelm Busch gesprochen: Hier kann man sie noch erblicken, fein geschroten und in Stücken:



Nachverseift, ausgesalzen und geschnitten - so wird der "Hochmut" nach erfolgtem Fall zur "Demut" und dient als Rohstoff für den "dienstbaren Geist":


Desaster Nr. 2: Blitzbeton durch das pöööse PÖ Rose. Dabei hätte mir meine Rotmischung so gut gefallen.


Prompt gefolgt von ...
Desaster Nr. 3: Warum hat mir niemand gesagt, dass Seife in solchen Formen nicht gebacken werden darf! Hmpf. Der neue Ofen ist noch unvertraut. 30°C erfordern eine viel geringere Schalterdrehung als beim alten Ofen.


Die Damen haben erheblich an Profil und Farbe eingebüßt.


Und meine schönen Formen - nur noch Futter für den Gelben Sack:


Aber auch Desaster Nr. 2 und 3 wurden recycled. Eingeschmolzen mit viel Honig und Sahnepulver und in die Blockform gefüllt, wandelt sich der "Hochmut" zur eleganten Pflegebombe, zur "Läuterung".


Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Und sie duftet auch noch rosig.


So wurde es Mai und weit und breit keine Schieberseife in Sicht. Aber aufgeben ist immer das, was andere tun. Und siehe da, nach der Verseifung von vier Kilogramm Fett, dem Verbrauch von 80g Parfümöl und dem Kauf von vier neuen Seifenformen, hat es doch noch geklappt (sag noch einer, Seifeln sei teuer). Bitte einen Trommelwirbel für Madame Superbia!


Im Kreise ihrer eifrigen und begierigen Schülerinnen:


Der Flirt mit dem Lieblingsattribut:



Die Pfauenfedern habe ich an eine Nylonschnur gehängt. So können sie als Taschenbaumler oder Windspiel benutzt werden.


Auch Zofen, Küchenmädchen, Chauffeure und Gärtner wollen ab und an gewürdigt werden.


Und das treue Herz? Zwar schüchtern, aber trotzdem einmal im Mittelpunkt:


Ein gestandener Liebhaber, ein wirtschaftlich erfolgreicher oder auch sonstwie potenter Unterstützer - für die Geltungssucht ein Muss.


Die Gruppe der Glamour-Groupies:


Die Aschenputtelfraktion:


Und alle, alle hausen gemeinsam in derselben alten Schachtel "Welt", alle aus dem gleichen Stoff geschneidert, und doch ...


... einige sind immer gleicher als die anderen. Die dürfen sich auf einem goldenen Podest räkeln. Die anderen müssen mit Seidenpapier vorlieb nehmen.


Deckel drauf, auf die Welt aus dem Ein-Euro-Laden und ab in die Kuverts mit den Sünden! Macht euch auf den Weg zu meinen lieben und geduldigen Mitschieberinnen.


Und dieses Mal wird nicht geranzt! Und schon gar nicht vor Ende der Reifezeit! Das lasst euch gesagt sein!
Ähm, man könnte meinen, ich sei auf ewige Zeiten von der Seifenschieberei geheilt. Weit gefehlt. Ich habe mich schon wieder angemeldet. Mir ist eben nicht zu helfen.

miscellanea

6 Kommentare:

  1. Wahhhhnsinn!!! Da hast du dir aber wirklich einen Haufen Arbeit gemacht. Und du hast den Umständen getrotzt und eine ganz wunderbare Truppe geschaffen.
    Deine Hartnäckigkeit wurde eindeutig belohnt. Hut ab!

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  2. Ich muss schon sagen, so einen spannenden und toll geschriebenen Post über Seifen habe ich lange nicht gelesen! Ich schließe mich Mini an...Hut ab!...Vor so viel Mühe, Einfallsreichtum und Liebe zum Detail.

    Liebes Grüßle
    Luna

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  3. Du hast richtig *eschuftet*,das Ergebnis kann sich aber sehen lassen,besonders die Rose sticht mir ins Auge ;-)Dein toller Bericht tröstet auch mich,habe ein Pö erwischt,das nach Kloseife stinkt,die Tonne wartet schon....Einige Tage warte ich noch...
    Trotz Deines Fehlschlages mußte ich schmunzeln,klasse Desasterbericht....
    LG
    Sibylle

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  4. Tolle Geschichte zu den Seifen! Das Thema hast du super umgesetzt... Nur Schade um die schönen Formen.

    lg,
    Katrin

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  5. Wow, wow und nochmals wow!! Zuerst wurde mir ganz schwurbelig im Kopf bei Deiner Konzeptvorstellung und spätestens nach Desaster 1 hätte ICH den ganzen Krempel hochmütig in die Tonne gekloppt! Aber gut, daß Du so zäh bist (vielleicht solltest Du mal was zum Themas "Ausdauer" seifeln?), denn das Ergebnis ist echt bombastisch! Diese hochmütige Seife, ein Traum. Und auch die unscheinbaren dienstbaren Geister, wunderschön! Ich bin tief beeindruckt. Und doch wird auch die Hochmütige nur verwaschen werden oder vorerst in einem Schrank zwischen Pullovern landen... Das hat sie nun davon (irgendwie kann ich sie ja nicht leiden...)!

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  6. Ich habe Tränen gelacht bei deinem Bericht, sicher war die zwischendurch eher zum Heulen. Aber du hast es ja zu einem guten Ende gebracht und Putzseife wird auch immer gebraucht ;O)
    LG
    Andrea

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Ich freue mich über euere Kommentare. Danke, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt :-)))

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